Mittwoch, 11. Juli 2012

BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 138/11: Mietminderung - im Zweifel Mietzahlung unter Vorbehalt, um Kündigungsrisiko zu vermeiden

Der Bundesgerichtshof hat sich am 11.07.2012 in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob dem Mieter auch dann fristlos wegen eines Mietrückstands gekündigt werden kann, wenn er die Miete aufgrund eines Irrtums über die Ursache eines Mangels nicht entrichtet.
Die Beklagten waren Mieter eines Einfamilienhauses der Kläger. Im Dezember 2008 teilten sie den Klägern mit, dass sich im Haus aufgrund baulicher Mängel Schimmel und Kondenswasser bilden würden. Anlässlich eines Ortstermins im Dezember 2008 brachten die Kläger gegenüber den Beklagten zum Ausdruck, dass ihrer Ansicht nach das Heiz- und Lüftungsverhalten der Beklagten dafür verantwortlich sei. Die Beklagten minderten die vertraglich vereinbarte Bruttomiete in Höhe von 1.550 € pro Monat für die Monate März 2009 bis Juni 2010 um jeweils 310 € (20 %). Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit Schriftsatz vom 7. Januar 2010 wegen des bis dahin aufgelaufenen Mietrückstands in Höhe von 3.410 € fristlos. 

Mit ihrer Klage haben die Kläger Zahlung des bis Januar 2010 aufgelaufenen Mietrückstands nebst Zinsen sowie die Räumung des Hauses verlangt. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 27. Mai 2010 einen zur Minderung berechtigenden Mangel verneint und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. 
Die Beklagten glichen daraufhin im Juni 2010 den für die Monate Februar 2010 bis Mai 2010 aufgelaufenen Mietrückstand aus und zahlten ab Juli 2010 unter Vorbehalt wieder die volle Miete. Während des Berufungsverfahrens glichen die Beklagten im Februar 2011 den zu diesem Zeitpunkt noch offenen Mietrückstand vollständig aus. 

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Beklagten – nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 3.410 € übereinstimmend für erledigt erklärt hatten - zur Zahlung von Zinsen verurteilt und die Klage hinsichtlich der Räumung abgewiesen. Bei der Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Beklagten kein Verschulden an der Nichtzahlung der Miete treffe und sie sämtliche Rückstände im Februar 2011 ausgeglichen hätten.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass auch im Rahmen des § 543 Abs. 2 BGB der Mieter die Nichtzahlung der Miete zu vertreten hat, wenn ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt. Das ist der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB.

"Für eine mildere Haftung und damit eine Privilegierung des Mieters besteht auch in den Fällen kein Anlass, in denen der Mieter die Ursache eines Mangels, hier der Schimmelpilzbildung, fehlerhaft einschätzt. Der Mieter kann bei Zweifeln die Miete unter Vorbehalt zahlen, so dass ihm die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein. Im vorliegenden Fall kann der Zahlungsverzug nicht wegen fehlenden Verschuldens der Beklagten verneint werden. Den Beklagten musste sich die Vermutung aufdrängen, dass das Vorhandensein von zwei Aquarien sowie eines Terrariums mit Schlangen eine die Schimmelbildung begünstigende höhere Luftfeuchtigkeit in der gemieteten Wohnung bedingte und somit an das Lüftungsverhalten entsprechend höhere Anforderungen zu stellen waren."

Die Mietrückstände wurden erst im Februar 2011 vollständig ausgeglichen. Da diese Zahlung nicht mehr innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB erfolgte, ließ sie die Wirksamkeit der Kündigung vom 7. Januar 2010 unberührt, so dass die Beklagten zur Räumung verpflichtet waren.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 11.07.2012-Nr. 108/2012 

Das Urteil finden Sie dort: BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 138/11



Rechtsanwalt Michael Kohberger
Anmerkung vom Anwalt:

Bei Mängeln an der Wohnung steht den Mietern nach wie vor das Recht zur Minderung der Miete zu: - § 536 BGB:

" Mietminderung bei Sach- und Rechtsmängeln -  Hat die Mietsache zur Zeit der Überlassung an den Mieter einen Mangel, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt, oder entsteht während der Mietzeit ein solcher Mangel, so ist der Mieter für die Zeit, in der die Tauglichkeit aufgehoben ist, von der Entrichtung der Miete befreit. Für die Zeit, während der die Tauglichkeit gemindert ist, hat er nur eine angemessen herabgesetzte Miete zu entrichten. Eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit bleibt außer Betracht...."

Mieter tragen das Risiko einer fristlosen Kündigung, wenn in tatsächlicher Hinsicht kein Mangel vorliegt. Das ist nicht neu!  Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist konsequent, zumal der Bundesgerichtshof  gleich den passenden Rechtstipp für betroffene Mieter mitliefert, indem er darauf hinweist, dass  betroffene Mieter  bei Zweifeln an der Begründetheit einer Minderung die Miete auch unter "Vorbehalt" zahlen können, so dass ihnen die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung ihrer Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein!

Weitere Berichte in den Medien zu der Entscheidung des BGH finden Sie dort:

Montag, 9. Juli 2012

Bundesgerichtshof zum Ersatz einer vom (Vor-)Mieter in die Wohnung eingebauten Gasetagenheizung durch eine Gaszentralheizung

Der Bundesgerichtshof hat sich in einer aktuellen Entscheidung (BGH Urteil vom 20. Juni 2012 - VIII ZR 110/11) mit der Frage befasst, auf welchen Zustand der Wohnung für die Beurteilung des Vorliegens einer Wohnwertverbesserung durch eine vom Vermieter beabsichtigte Modernisierungs-maßnahme abgestellt werden muss.

Reiseveranstalter haftet für Körperschaden nach "Upgrade Präsidentensuite"

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Eigenbedarfkündigung-Vermieter müssen freie Ersatzwohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage anbieten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes  hat der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere, ihm zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung während der Kündigungsfrist zur Anmietung anzubieten, sofern sich die Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindet. Andernfalls ist die ausgesprochene Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam.

Sonntag, 8. Juli 2012

Katzenhaltung in Mietswohnung ist zulässig

Beziehung zwischen einem Menschen und einem Haustier steht aber seit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht vom 20.8.1990 (BGB 1. I, 1762) unter dem besonderen Schutz der Rechtsordnung.

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Zwangsräumung einer Wohnung: Sämtliche Mieter müssen im Vollstreckungstitel (Räumungsurteil) mit Namen bezeichnet sein

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Pflicht des Mieters zur Endrenovierung kann auch bei mietvertraglicher "Individualvereinbarung" unzulässig sein

Ein Summierungseffekt  liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs  im Mietrecht vor, wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in einem Mietvertrag in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters führen. Das gilt auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinbarung zusammentrifft.

Montag, 2. Juli 2012

Bei Zahlung der säumigen Miete kann die fristlose Kündigung unwirksam werden- § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB

 Zahlt der Mieter innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr.2 BGB die säumige Miete, so wird die Kündigung des Mietverhältnisses rückwirkend unwirksam. Hierfür muss der Mieter die säumige Miete vollständig bezahlen. Ein  offen bleibehder Betrag in Höhe von DM 31,75 ist nicht als ein zu vernachlässigender Restbetrag anzusehen, der ein Festhalten des Vermieters an der Kündigung  als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen könnte.

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Wird ein Einfamilienhaus vermietet und im vorformulierten "Mietvertrag für Wohnungen" mit der Lageangabe nach Ort, Straße und Hausnummer näher bezeichnet, ohne daß sich aus dem Vertragstext ergibt, ob der Garten mitvermietet worden ist, so ist nach der Verkehrsanschauung davon auszugehen, daß das gesamte unter dieser Anschrift gelegene Grundstück mitvermietet ist und nicht nur der unmittelbar am Hause gelegene Ziergarten.

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Was gibt es bei der Kündigung des Mietvertrages für Mieter und Vermieter in rechtlicher Hinsicht zu beachten?

Für die ordentliche Kündigung muss gemäß § 573 BGB ein sogenanntes „berechtigtes Interesse" des Vermieters bestehen. Ein solches liegt nach den Vorgaben des § 573 Abs. 2 BGB insbesondere dann vor, wenn

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Nach § 2 Nr. 4 Buchst. a Betriebskostenverordnung (BetrKV) sind als Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage ausdrücklich die Kosten der "Reinigung der Anlage" aufgeführt. Es handelt sich also im Rahmen der alljährlichen Betriebskostenabrechnung um sogenannte umlagefähige Kosten. Dies hat der Bundesgerichtshof nun mit Urteil vom 11.11.2009 - VIII ZR 221/08 bestätigt. Bisher wurde in der

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Keine eigenmächtige Räumung durch den Vermieter

Die nicht durch einen gerichtlichen Titel gedeckte eigenmächtige Inbesitznahme einer Wohnung und deren eigenmächtiges Ausräumen durch einen Vermieter stellt eine unerlaubte Selbsthilfe dar, für deren Folgen der Vermieter verschuldensunabhängig nach § 231 BGB haftet.

Überhöhter Wohnbedarf bei Eigenbedarfskündigung

Die Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarf soll nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB dann zulässig sein, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Hierbei kommt es unter anderem auch darauf an, welchen Bedarf der Vermieter nach seinen persönlichen Vorstellungen und Bedürfnissen für angemessen ansieht (BVerfG, Beschluss vom 02.02.1994, Az. : 1 BvR 1422/93, WM 1994, 185). Eine Eigenbedarfskündigung wäre rechtsmissbräuchlich, wenn weit überhöhter Wohnbedarf geltend gemacht wird (BVerfG, Urteil vom 14.02.1989, Az. : 1 BvR 308/88 u. a, WM